Montag, 16. Oktober 2017

Der Fremde im Palazzo d'Oro / Paul Theroux

Wir schreiben den Sommer 1962 und befinden uns im Süden Italiens. Die Stadt Taormina liegt an der Ostküste Siziliens, verfügt über eine idyllische Bucht, Berge und eine atemberaubende Aussicht auf den Vulkan Ätna. Es ist ein beliebter Touristenort, an dem auch schon D.H. Lawrence seine Texte schrieb. 

Gil Mariner, ein junger amerikanischer Student ist auf Wanderschaft und lernt in einem abgelegenen Hotel in Taormina ein faszinierendes Paar kennen. Beide, Mann und Frau, sind außerordentlich vornehm gekleidet - unser mittelloser Student ist auf unerklärliche Weise sofort fasziniert von der fremden, mystischen Frau. Er beschließt einige Tage im selben Hotel zu bleiben und äußert den bittersüßen Wunsch: "Ich will euer Leben leben".

Die Frau, eine deutsche Gräfin, wird von Gil auf Mitte Dreißig geschätzt. Sie erregt unter anderem sein Interesse weil sie trotz der Sommerhitze immer ihre Spitzenhandschuhe trägt. Der Mann, ein Arzt, unterbreitet Gil ein unmoralisches Angebot, dass dieser fasziniert annimmt. Ein heftiger Lustrausch aus Gier, Eroberung und Hingabe beginnt. Gil verstrickt sich in seine Sehnsüchte und Leidenschaften, die ihn gleichermaßen faszinieren und abstoßen, denn Griffin, die Gräfin mit den zwei Gesichtern, hütet ein unglaubliches Geheimnis.

"Der Fremde im Palazzo d'Oro" ist mehr als nur ein kurzer Sommerroman mit einem überraschenden Ende. Es geht um käufliche Liebe, Sinnlichkeit und Schönheit, ewige Jugend und am Rande auch um gesellschaftspolitische Themen der Nachkriegszeit. Die Darsteller entkleiden sich Stück für Stück für die Leser, sodass am Ende das Geheimnis gelüftet werden kann, warum die Gräfin immer ihre Spitzenhandschuhe anbehält.

Eine interessante Mischung aus psychologisch feinen Charakterstudien und imposanten Landschaftsbeschreibungen. Gewöhnungsbedürftig waren anfangs nur die detaillierten Beschreibungen des Liebesaktes, mit denen ich anhand der Beschreibung des Verlages überhaupt nicht gerechnet habe.  

Zum Schluss bleibt nur zu sagen: "In diesem Augenblick auf meinem Balkon hoch über Taormina, der voller Erwartung war, im Duft dieses sizilianischen Morgens, liebte ich mein Leben."


Hannah

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